Als mehr denn vor dreihundert Jahr
Ich leiblich noch in Nürnberg war,
Im Handwerk fest und wohlbewährt,
Als Dichter überall geehrt,
Ging ich mit hellem, frohem Sinn
Wohl durch die trauten Gassen hin,
Nach Tages Arbeit auszuruhn
Und mich ein wenig umzutun,
Zu sehn, ob alles noch am Platze
In Deutschlands schönstem Edelschatze,
Ob sich nichts Neues zugetragen
In jenen sturmbewegten Tagen.
In allen Winkeln, allen Ecken
Mocht‘ nichts sich meinem Aug‘ verstecken.
So hab‘ ich meine Stadt erkannt
Und so mein liebes Vaterland.
Hab‘ stets mit ihnen treu gelebt,
Gehofft und öfters noch gebebt.
Mußt‘ ich die Stadt nicht einst erheben
In ihrem überreichen Leben?
In ihrer Arbeit frohem Werke,
In ihrem Wachstum, ihrer Stärke,
In ihrer Künste Meisterschaft,
In der Gewerbe starker Kraft,
Der Wissenschaften tiefem Streben –
Und überall ein sprudelnd Leben
Und starker Wille, frohe Tat
Bei beiden, Bürgerschaft und Rat!
Und eine Stimm‘ im ganzen Reich:
»Gibt’s eine noch, die Nürnberg gleich?«
Oft stieg ich wohl zur Burg hinan,
Da lag auf weitem grünem Plan
Das edle Kleinod, hold und lieb,
Wie ich es spruchweis einst beschrieb.
Ich war erfüllt von Dankesfreud‘,
Daß mir’s vergönnt, in großer Zeit
Mit starken Geistern hier zu leben
Und mitzuwirken, mitzustreben!
Und mit den Besten mich zu letzen,
Schuf mir ein inniglich Ergötzen.
Kam ich so von der Burg gegangen,
Erwacht‘ in mir ein still Verlangen
Nach einem kühlen Abendtrunk
Mit den Genossen, alt und jung.
Und unten um die Ecke war
Das Flecklein, das mir ganz und gar
Und auch den andern wohl gefiel,
Wo Kurzweil trieben wir und Spiel,
Wo wechselte die ernste Rede
Mit Lautenspiel und Sangesfehde.
Dies Häuslein lieb und traulich liegt
An die Kapelle angeschmiegt
Und ladet freundlich zu sich ein.
Des Herdes lichter Feuerschein,
Der Würste Pratzeln für und für,
Du siehst es durch die offne Tür.
Die zu dir dringenden Gerüche,
Sie ziehn dich in die alte Küche,
Die rauchgeschwärzt und klein und nieder.
Am Herde steht im schmucken Mieder
Kuni, die Maid, gesund und kräftig,
Die Würste wendet sie geschäftig.
Du trittst hinein und wohl geborgen
Bist du im Stüblein: Ohnesorgen.
Da ist es wonnig! Kann ich’s schildern
Mit seinen alten trauten Bildern,
Mit all den Krügen, die es schmücken,
Mit all dem Zierat zum Entzücken?
Ich könnt‘ es nicht. Mußt selber gehn,
Den holden Zauber zu besehn.
Wie oft saß hinten ich im Eck
Und niemand brachte mich vom Fleck!
Bei muntern Reden, frohen Scherzen
Wie lachten alle wir von Herzen!
Dann trat auch Dürer wohl herein
Mit Peter Vischer im Verein,
Und auch der Stoß kam ab und zu,
Ein Mann beweglich, ohne Ruh‘.
Doch wohl am schönsten war die Stunde
Und alles hing an seinem Munde,
Wenn Dürer in Erinnerung selig,
So einfach und so warm und fröhlich
Anhub vom Land Italia,
Das er mit Aug‘ und Seele sah,
Wie er geschlürft dort an der Quelle
Der Kunst an mancher hehren Stelle,
Wie er erlernt, was hoch erkoren,
Und nicht sein eigen Selbst verloren.
Da war er wie ein Fürst geehrt
Und von den Edelsten begehrt.
Es war sein Sinn so voller Adel,
Sein Herz so rein und ohne Tadel,
Sein Geist so herrlich und gewaltig
Und schöpferisch und vielgestaltig
Und seine Kunst so hehr und schön,
Wie man sie vor ihm nie gesehn!
Ganz oben dort, da war sein Platz,
Da hat er manchen edlen Schatz
Vor unsern Augen treu enthüllt
Und uns mit Freud‘ und Lust erfüllt.
Doch auch wir waren da nicht stumm,
Da ging das Reden lustig um.
Auch ich, ich sag‘ es ohne Prahlen,
Hab‘ hier am Tisch zu manchen Malen
Ein übermüt’ges Fastnachtspiel,
Wie es den Leuten wohl gefiel,
Manch frohen Scherz und lust’gen Schwank
Allen zur Lust und mir zu Dank,
Und Ernstes auch, ich dürft‘ es wagen,
Den lieben Freunden vorgetragen.
Ein jeder kam zu seinem Recht,
Sprach, wie’s ums Herz ihm, recht und schlecht..
Und ehe man sich’s nur versah,
War schon die Abschiedsstunde da.
St. Sebald schlug den Garaus an –
Und es erhob sich Mann für Mann.
In Fröhlichkeit man Abschied nahm
Und fröhlich jeder wieder kam.
Seitdem ward längst ich schon zu Staub,
So vieles ward der Zeiten Raub
Und Neues trat an seinen Ort
So ging es einst und geht so fort –
Doch manches hielt auch wacker aus
In böser Zeiten Sturm und Braus,
Und Großes blieb in Nürnbergs Mauern,
Mög‘ es die Zeiten überdauern!
Und auch mein Glöcklein steht noch traulich
Einladend, freundlich und beschaulich!
Mög‘ es noch manchen durst’gen Knaben
Mit frischem Trunk und Würstlein laben,
Mög‘ allen seine Gaben schenken,
So wird mans freudig ihm gedenken
Und wieder kehren bei ihm ein.
So soll’s für alle Zeiten sein!
Daß ewig grün‘ und blüh‘ und wachs‘
Das liebe Nürnberg, wünscht Hans Sachs!
Quelle:
Almanach
Zum Andenken an das
Bratwurstglöcklein in Nürnberg